Post by Peter HeirichPost by Hanno FoestPost by Peter HeirichPost by Hanno FoestFür Staatsoberhäupter gilt was anderes.
Für amtierende Staatsoberhäupter gilt was anderes.
Feiner, aber wichtiger Unterschied.
Nur für private Handlungen. Immunität für Handlungen in Ausübung des
Amtes
besteht auch nach Ende der Amtszeit fort. Und ich glaub nicht, daß man den
Ukraine-Krieg als "private Handlung" interpretiert bekommt.
Man soll Wikipedia nicht alles glauben.
https://www.swp-berlin.org/publikation/voelkerrechtliche-verbrechen-im-krieg-gegen-die-ukraine
Zumindest der russische Präsident, sein Regierungschef und sein
Außenminister sind umfassend vor staatlicher Strafverfolgung im Ausland
geschützt, solange sie sich im Amt befinden. Nach Ausscheiden aus dem
Amt genießen sie zwar funktionelle Immunität. Diese greift jedoch
nicht, soweit es um Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Völkermord geht.
Zitat-Ende.
Man sollte regierungsnahen Thinktanks nicht alles glauben.
Die SWP vergißt irgendwie zu schreiben, daß die funktionelle Immunität
NUR vor dem IStGH nicht greift - sonst wäre er ja sinnlos, er ist genau
dafür da - und auch WEIL vor nationalen Gerichten funktionelle
Immunität gilt. Konkret zitiert wird die BGH-Entscheidung vom
28.1.2021, Az. 3 StR 564/19 - hier geht es aber explizit nur um die
nationale Strafverfolgung *nachrangiger* Hoheitsträger, also gerade
nicht von Putin. (Siehe auch die Begründung des BGH-Urteils, Punkt 40.)
Explizit noch mal hier:
https://verfassungsblog.de/der-krieg-in-der-ukraine-putin-und-das-volkerstrafrecht/
"Etwas anderes gilt aber, und auch ist dies im genannten BGH-Urteil
angelegt, für Personen, die kraft ihrer herausragenden Stellung im Staat
absolute Immunität ratione personae genießen. Gerade beim amtierenden
Staatschef würden nationale Strafverfolgungsmaßnahmen in erheblichem
Maße in die Souveränität des betroffenen Staates eingreifen und
gleichzeitig die internationalen Beziehungen massiv beeinträchtigen.
Auch wenn es um völkerrechtliche Verbrechen geht, ist bei ihnen ein
Verfahrenshindernis zu bejahen. Jedenfalls Putin wird sich daher nicht
vor deutschen Gerichten verantworten müssen."
Post by Peter HeirichNach der o.g. Theorie hätte Joachim von Ribbentrop, Reichsaußenminister
des Deutschen Reiches ab 1938, Immunität haben müssen.
Nach Kriegsende wurde Ribbentrop vor dem Nürnberger Tribunal angeklagt.
Er wurde am 1. Oktober 1946 in allen Anklagepunkten für schuldig
befunden, zum Tod durch den Strang verurteilt und gehängt.
Das war keine deutsche Justiz, sondern ein internationales Gericht.
Das heißt noch lange nicht, daß dieses Vorgehen formaljuristisch legal
war: Der Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege)
ist offensichtlich. Da helfen auch ad-hoc-Begründungen wie die
Nürnberg-Klausel wenig. Ja, es war wohl legitim und die meisten Leute
werden damit einverstanden sein (wer wollte schon die Alternative, die
Obernazis laufenzulassen?), aber strenggenommen sollte derlei
Bauchgefühl in der Juristerei nichts bedeuten.
Beim IStGH hat man dann auch lieber gleich von vorneherein festgelegt,
daß nur Verbrechen, die nach dem 1. Juli 2002 begangen wurden, vor ihm
verfolgt werden können.
[...]
Post by Peter HeirichDen "kleinen" Ausführenden eines Kriegsverbrechens auf Befehl würden
bestaft, die Befehlsgeber jedoch wegen Immunität nicht. Kaum Recht,
allenfalls tatsächliche Instanz der Wahrheit: "Die Kleinen hängt man,
die Großen läßt man laufen".
Daher ja der IStGH. Ansonsten ist es wirklich so.
Post by Peter HeirichF'UP de.soc.rect.misc
Ignoriert, lese ich nicht.
Hanno
--
The modern conservative is engaged in one of man's oldest exercises in
moral philosophy; that is, the search for a superior moral justification
for selfishness.
- John Kenneth Galbraith